Auf den Killing Fields von Phnom Penh
Wenn man nach Kambodscha reist, wird man unweigerlich mit einer sehr dunklen Episode der Weltgeschichte konfrontiert: Die Zeit der Herrschaft der Roten Khmer. Eine totalitäre, kommunistische Bewegung unter der Führung von Pol Pot. Dieser sah die Ursachen für die Armut Kambodschas im Unterschied von Stadt und Land und glaubte, das Bauerntum stärken und Städtisches zerstören zu müssen. Gesundheits- und Bildungssystem wurden abgeschafft. Mit dem Ziel einen Agrarkommunismus einzuführen wurde beinahe die gesamte Bevölkerung (2 Mio. Einwohner) aus der Hauptstadt Phnom Penh vertrieben. Die Herrschaft endete in einem Genozid. In nur vier Jahren Herrschaft (1975 – 1979) wurden zwei der acht Millionen Einwohner Kambodschas durch die eigenen Landsleute ermordet, starben an Hunger oder bei der Zwangsarbeit. Umgebracht wurden Minderheiten, nahezu die ganze intellektuelle Elite und Menschen, die Kontakte ins Ausland pflegten. Menschen mit Studium. Menschen mit Brille. Inklusive dessen ganze Familie. Auch Kinder.
Als ich mir Kambodscha als Reiseziel ausgesucht habe war ich mir dieser düsteren Vergangenheit nicht bewusst. Erst als ich nach Phnom Penh komme und in die Stadt eintauche wird mir ein wenig die Tragweite dieser Zeit klar. Ich besuche im Zuge einer Führung die sogenannten Killing Fields, Stätten an denen die Massenmorde passiert sind. In ganz Kambodscha gibt es über 300 davon. Die Stimmung dort ist bedrückend. An verschiedenen Stationen wird beschrieben, wie Leute umgebracht und danach vergraben wurden. Es gibt ein eigenes Grabfeld für Kinder. Die Hinrichtungsmethoden sind grauenvoll. Bevor die Leute zu den Killing Fields gebracht und dort getötet wurden, verhörte und folterte man sie im Gefängnis S-21 in der Nähe des Stadtzentrums. Auch das Gefängnis ist heute für Besucher geöffnet und man wird mittels Audioguide durch die Anlage geführt. Die Geschichten sind nicht auszuhalten, einige Räume kann ich nicht betreten, zu grausam ist die Vorstellung, was Leute sich einander hier angetan haben. Ich kann nicht lange an diesen Stätten bleiben. Ungläubigkeit über das Geschehene und eine sehr schwere Stimmung bleiben.
Das Trauma und die Narben der Vergangenheit verheilen nur sehr langsam. Die Verantwortlichen der Roten Khmer leben auch heute noch teils unbehelligt und gehen ihrer Arbeit nach, auch in der Politik spielen einstige Führungspersonen des Regimes eine bedeutende Rolle. Auf den Straßen sehe ich viele Menschen ohne Beine oder Arme. Landminen haben ihnen das angetan. Weltweit sind kaum in einem anderen Land mehr Landminen vergraben als in Kambodscha. Felder können dadurch nicht bestellt werden, Hunger ist die Folge. Nach außen hin präsentiert sich Phnom Penh und Kambodscha durchaus als aufgewecktes, quirliges Land. Das Gefühl ist jedoch ein anderes – und es sollte auch bei mir so schnell nicht vergehen.
Die Stadt am Mekong
Ich versuche mich vom Gesehenen ein wenig abzulenken und streife durch die Stadt. Teilweise zu Fuß, manchmal schnappe ich mir ein TukTuk. Der Verkehr ist wild. Wer lauter hupt hat Vorrang. Als Fußgänger hat man sowieso Nachrang – eine Straße zu überqueren ist gar nicht so leicht möglich, man muss einfach losgehen, freiwillig bleibt keiner stehen – aber irgendwie schaffe ich es dann doch immer wieder die andere Straßenseite zu erreichen. Phnom Penh liegt direkt an der Mündung vom Tonle Sap River in den riesigen Mekong. Das Wasser des Stromes hat bereits eine weite Reise hinter sich. Er entspringt in Tibet und schlängelt sich über 4000km durch China, Myanmar, Laos, Thailand und Kambodscha bis er schließlich in Vietnam ins Südchinesische Meer mündet. Ich schlendere die Uferpromenade entlang und beobachte die Menschen. Leute kommen zum Spazierengehen, zum Laufen und zum Plaudern hier her. Frauen verkaufen kalte Getränke, Obst und Popcorn. Hunderte Tauben versuchen vom Essen ein paar Krümel abzubekommen. Hier ist ein extremer arm-reich Kontrast zu sehen. Direkt am Ufer stehen einfachste Holzhütten, ganze Familien leben hier und versuchen durch Fischfang ein paar Dollar zu verdienen, um zu überleben. Dahinter türmen sich teils 20-stöckige Luxushotels. Was mir in Kambodscha zudem das erste mal im SO-Asiatischen Raum auffällt, ist der extreme Einfluss von China. Alle Wegweiser, alle Speisekarten und sämtliche Beschriftungen sind neben Khmer (der offiziellen Sprache) auch in Englisch und in Chinesisch angeschrieben. Große chinesische Mobilfunkanbieter kleistern die Straßen mit ihren Werbesujets zu. Kambodscha ist in fester Hand von China und dessen Unternehmen.
Am Ufer warten Ausflugsschiffe auf Touristen. Sie bieten Sunset Touren an. Ich beschließe, an so einer Tour teilzunehmen und ein wenig die Seele baumeln zu lassen. Es sollte sich lohnen. Die Sonne geht direkt hinter der Skyline von der 1.6 Mio. Metropole unter. Doch noch ein wenig ein versöhnlicher Tagesausklang.
Paläste und Märkte
Am nächsten Tag spaziere ich zum Königspalast. Wunderschöne Gebäude zieren das Gelände. Reichlich verzierte Tempel und Pagoden prägen das Bild. Vor allem die Thronhalle ist beeindruckend. Zwischen den Gebäuden sieht man auch immer wieder Mönche in ihren orangen Gewändern. Irgendwie sehr klischeehaft.
Später lasse ich mich noch per TukTuk zum Wat Phnom bringen, dem spirituellen Zentrum von Phnom Penh. Es liegt ein wenig außerhalb des Zentrums auf einem künstlich aufgeschüttetem Hügel an dessen Spitze ein schöner buddhistischer Tempel steht. Eingehüllt vom Duft von Räucherstäbchen lasse ich das Geschehen ein wenig auf mich wirken. Menschen kommen hierher zum Beten, um Opfergaben in Form von Obst zu bringen oder einfach auch nur zum Spazieren.
Und so lasse ich mich durch die Stadt treiben, übe mich im Überqueren von Straßen, entdecke das eine oder andere lässige, moderne Café und raste im Schatten von Palmen in der drückenden Mittagshitze.
Später verschlägt es mich noch zum Zentralmarkt. In einer riesigen, beeindruckenden Markthalle wird alles angeboten was man zum täglichen Leben benötigt. Er ist strikt in Sektionen aufgeteilt. In einem Teil wird Gewand verkauft, in einem anderen Obst und Gemüse, ein Teil ist Heimat der Schuhverkäufer und auch die Schmuckverkäufer haben ihren Platz. Wegen der Gerüche wohl ein wenig abgelegen gibt’s dann Fisch und Fleisch.
Mein Hostel liegt in der Nähe des Ausgehviertels und so lasse ich den letzten Abend in der Stadt noch in einer hippen Bar ausklingen. Der Eingang zu der Bar ist kaum zu finden. Nach außen hin ist die Tür getarnt als Coca Cola Automat. An der Theke winkt eine Maneki-neko, eine chinesische Glückskatze. Die Cocktails sind gut. Ich plaudere ein wenig mit den jungen Einheimischen und einem Russen, der schon einige Jahre in Phnom Penh lebt und sehr von der Stadt schwärmt. So ganz kann ich dessen Euphorie nicht teilen.
Beim Heimgehen ins Hotel huschen Ratten über den Weg.
Für mich ist es Zeit weiterzuziehen. So ganz anfreunden konnte ich mich nicht mit der Stadt, zu sehr drücken die Gräueltaten auf das Gemüt.
Jetzt wartet aber der Süden auf mich, meine letzte Station in Kambodscha – Kampot – ich geh dorthin wo der Pfeffer wächst!