Nach meiner gut 6-stündigen Bootstour komme ich in der Stadt Siem Reap an. Sie ist der Ausgangspunkt zu den Tempelanlagen von Angkor. Ich habe geplant, ein paar Tage hier zu verbringen und mich durch das riesige Areal mit gut 1200 hinduistischen und buddhistischen Tempeln treiben zu lassen. Außerdem steht Silvester vor der Tür, auch das will ich hier feiern.
Nach der Ankunft in Siem Reap kühle ich mich zuerst mal im hoteleigenen Pool ein wenig ab, um danach erfrischt die Stadt zu erkunden. Größer könnte der Kontrast fast nicht sein. Von der sehr armen, ländlichen Gegend rund um Battambang direkt in die Touristenmetropole Siem Reap. Fortgehmeilen, fancy Restaurants und noble Hotels sind gut gefüllt mit Touristen. Ich merke recht schnell, ich bin nicht der einzige, dessen Plan es ist, hier Neujahr zu feiern.
Gut ausgeschlafen breche ich am Morgen des 31. Dezember auf, um in das alte Khmer-Reich einzutauchen. Man kann das Gelände auch per Fahrrad erkunden, ich entscheide mich diesmal für die bequemere Variante und organisiere mir einen TukTuk Fahrer, der mich den ganzen Tag zu den einzelnen Tempeln des riesigen Areals bringt.
Overtourism
Willkommen in der größten Tempelanlage der Welt, willkommen in der Hauptstadt des einst prächtigen Khmer Reiches. Ich bin jedoch nicht allein hier – wie erwartet ist hier zu den Feiertagen richtig viel los. Aber mit solchen Menschenmassen habe ich nicht gerechnet. Ich war schon an vielen der Top Sehenswürdigkeiten dieser Welt aber so viele Leute auf einem Platz habe ich noch nie so gesehen. Das ganze Areal um den Haupttempel Angkor Wat ist heillos überfüllt, ich besuche den Tempel zwar kurz aber beschließe, an einem anderen Tag wiederzukommen.
Das Lächeln Kambodschas
Dafür erkunde ich ein paar der abgelegeneren Tempel, hier ist schon deutlich weniger los. Ein Tempel ist prächtiger als der andere. Jeder Tempel hat sein eigenes Erscheinungsbild und sein eigenes Flair. Feine Reliefs, kunstvolle Steinstatuen von Göttern und Tieren sind fast in jedem Tempel zu finden. Viele Bauten sind auf mehreren Ebenen angelegt und man kann über steile Stufen bis ganz nach oben klettern und die Aussicht genießen – bei den Temperaturen jenseits der 30 Grad komme ich ganz schön ins Schwitzen. Bei der TukTuk Fahrt zwischen den Tempeln wird mir erst das Ausmaß der ganzen Anlage bewusst. Oft dauert es bis zu 30 Minuten, um motorisiert von einem Tempel zum anderen zu gelangen. Mein Fahrer bringt mich zu den schönsten und beeindruckendsten Tempeln von Angkor. Einer zieht mich besonders an. Ich werde dort von vielen lächelnden Gesichtern begrüßt. Der Bayon Temple. Der Tempel, in dessen Türme ca. 200 bis zu sieben Meter große Gesichter gemeißelt wurden. Egal wo im Tempel man sich befindet, es strahlt einem immer ein gelassenes und zufriedenes Gesicht entgegen. Um die Gesichter kreisen zahllose Libellen.
Neujahr
Noch voll mit den ganzen Eindrücken der prächtigen Tempel steht am Abend nun aber Silvester auf dem Programm. Ich habe mit Nala, die ich in Battambang kennengelernt hab beschlossen, dass wir zusammen ins neue Jahr rutschen. Gemeinsam mit noch zwei weiteren Packpackern aus Deutschland und Indien treffen wir uns auf der Partymeile mitten in Siem Reap und hier geht wirklich die Post ab. Viele Touristen feiern gemeinsam mit einheimischen Jugendlichen auf den prall gefüllten Straßen. DJs legen auf Bühnen Musik auf, vor den Bühnen wird getanzt. Bier fließt reichlich. In den Restaurants und Pubs Plätze zu bekommen ist fast unmöglich. Um Mitternacht wird der Countdown runtergezählt – Feuerwerk gibt es hier leider keines – macht nichts, die Feierlaune ist dadurch nicht getrübt und wir tanzen bis in die frühen Morgenstunden durch die Straßen. Ins neue Jahr mit Shorts und Flipflops zu rutschen ist mir noch ein ganz unbekanntes Gefühl. 2020 kann kommen.
Wie Lara Croft und Indiana Jones
Die restlichen Tage in Siem Reap tauche ich weiter in das Gebiet von Angkor ein. Viele Anlagen hat sich die Natur zum Teil zurück geholt. Wurzeln von riesigen Bäumen scheinen die Tempel zu verschlingen, viele sind überwuchert vom Dschungel. Ein beeindruckender und spektakulärer Anblick. Kein Wunder, dass hier Abenteuerfilme wie Indiana Jones und Tomb Raider gedreht wurden. Auch ich fühle mich wie ein Abenteurer auf der Suche nach einem verborgenen Schatz während ich auf zerfallenen Tempelmauern klettere. Natürlich nur auf ausgewiesenen Wegen. Es wird abgeraten, die beschilderten Wege zu verlassen, vor allem bei abgelegeneren Tempeln. Zu viele Landminen säumen noch die Erde Kambodschas. Aber dazu ein andermal.
Angkor war vom 9. bis zum 15. Jahrhundert das Zentrum des Khmer Königreiches und es lebten bis zu 1 Mio. Menschen auf dem Gebiet von 1000km². Nicht nur die Tempel sind aus dieser Zeit erhalten, auch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem ist noch in seinen Grundzügen zu bestaunen. Was für mich wie ein großer See wirkt ist in Wirklichkeit ein angelegtes Vorhaltebecken, um die Stadtbevölkerung mit Wasser zu versorgen und auch genügend Wasser für den Reisanbau zu haben.
An den ersten Tagen im neuen Jahr fahre ich auch noch einmal zum Haupttempel, Angkor Wat – nun sind erträglich viele Menschen hier und alles ist gleich viel entspannter. Die Anlage ist gigantisch. Es gilt als das größte religiöse Bauwerk der Welt und ich verbringe fast einen ganzen Nachmittag hier und lasse das Bauwerk auf mich wirken. Wie ich so dort sitze werde ich von Mönchen angesprochen, die mit mir Englisch sprechen wollen. Ihr Englisch ist sehr einfach, aber es funktioniert. Sie stammen aus dem Süden von Kambodscha und sind auch zum ersten Mal hier.
Die Ausmaße des ganzen Areals sind enorm und man könnte Monate hier verbringen, um alles zu sehen. Es ist schwer beeindruckend was die Khmer hier gebaut haben und es ist berechtigterweise auf der Bucketlist vieler Touristen. Ich durfte das erste Mal miterleben was Overtourism wirklich bedeutet und es hat mich schon ein wenig nachdenklich gestimmt. Nichtsdestotrotz bleibt ein sehr positiver Eindruck von diesem einzigartigen Ort. Für mich ist es aber Zeit weiterzuziehen – die Hauptstadt Phnom Penh wartet. – លាហើយពេលនេះ!